Nervenrekonstruktion

 

Nervschädigungen im Kopf-Hals-Bereich stellen eine besondere Herausforderung für den MKG-Chirurgen dar. Durch die komplexe Anatomie und die enge räumliche Lagebeziehung im Gesichtsbereich kann es nach Unfällen aber auch nach operativen Eingriffen, z. B. im Rahmen von Tumorentfernungen zu Nervverletzungen kommen, welche Lähmungserscheinungen oder Gefühlsstörungen für den betroffenen Patienten nach sich ziehen. Insbesondere der Gesichtsnerv (Facialisnerv) kann im Rahmen der Entfernung eines Tumors im Bereich der großen Ohrspeicheldrüse geschädigt werden. Daneben gibt es aber auch Fälle, in denen es spontan, aus ungeklärter Ursache zu einer Lähmung des Gesichtsnerven (Fazialisparese) der betroffenen Gesichtshälfte kommt.

 

Auch im Rahmen der oralen Chirurgie kann es zu einer Nerv-Schädigung kommen. Betroffen sind hiervon meist der im knöchernen Unterkiefer verlaufende Mandibularnerv (Nervus alveolaris inferior), welcher die Unterlippe mit dem Gefühl versorgt. Eine Schädigung dieses Nerven äußert sich in der Regel in einem Taubheitsgefühl der Unterlippe auf der betroffenen Seite. Daneben kann es bei chirurgischen Eingriffen, z.B. Weisheitszahnentfernung, zu einer Verletzung des Zungennervens (Nervus lingualis) kommen, was sich in Störungen des Gefühlsempfindens der Zunge und im Geschmacksempfinden auf der betroffenen Seite äußert.

 

Ist es zu einer Schädigung von Gesichtsnerven gekommen, so ist es wichtig, Art und Ausmaß der Schädigung genau festzulegen. Neben der subjektiven Einschätzung des Patienten stehen eine Reihe objektiver, neurologischer Testverfahren zur Verfügung, welche die Entscheidungsfindung hinsichtlich einer operativen Korrektur bzw. Rekonstruktion erleichtern. Grundsätzlich sollte die Rekonstruktion so früh wie möglich erfolgen, da dadurch die besten Ergebnisse zu erzielen sind. So wird bei tumorbedingten Nervdefekten die Nervrekonstruktion in der gleichen Sitzung mit der Tumoroperation durchgeführt. Bei Unfällen oder operativer Verletzung der Gesichtsnerven ist der optimale Zeitpunkt abzuwägen. Aber auch hier gilt, dass die frühestmögliche Wiederherstellung die besten Heilungserfolge zeigt.

 

Die Wiederherstellung der Nervfunktion erfolgt auf „mikrochirurgischem“ Weg. Dabei werden die Nervendigungen mittelsspannungsfreie Annäherung (Adaptation) mit spezieller, mikrochirurgischer Nahttechnik genäht. Zur Überbrückung grösserer Defekte können Nervtransplantate aus anderen Körperregionen entnommen und in den Defekt eingesetzt werden. Hierzu kommen in erster Linie Nervtransplantate aus dem Hals- und Beinbereich zur Anwendung. Wenn nötig wird der betreffende Nerv mit seiner zugehörigen Gefäßversorgung entnommen und in den Defekt eingesetzt, wobei durch die unmittelbar nach der Transplantation wiederhergestellten Blutversorgung eine größere Überlebensfähigkeit des Transplantates gewährleisten soll.

 

Dadurch, dass sich die „Mikrochirurgie“ der Nerven in den letzten Jahren zu einer Standardtherapie in der MKG-Chirurgie entwickelt hat, können auch schwere funktionelle Defizite erfolgreich therapiert werden.