Arten der Gesichtsfehlbildung (Kraniofaziale Fehlbildungen)

 

Kraniofaziale Fehlbildungen sind Entwicklungsstörungen erblicher oder nicht erblicher Natur, die in Zusammenhang mit anderen Störungen (dann als Syndrom kategorisiert) oder isolierte Fehlbildungen des Kopfes auftreten. Der Kopf eines Kindes entwickelt sich am Beginn einer Schwangerschaft aus verschiedenen ‚Fortsätzen’, deren Entwicklung gestört sein kann. Unterbleibt deren Verschmelzung so entstehen Spalten wie z. B. LKG-Spalten aber auch seltenere andere Spalten. Unterentwicklungen der Gewebe einzelner Fortsätze führt zu Unausgeglichenheit der unterschiedlichen Gesichtsteile wie Oberkiefer, Unterkiefer, Ohren etc.

 

Dysostosis otomandibularis – Hemifaziale Mikrosomie

Dies ist eine Störung der Entwicklung des 1. Kiemenbogens mit Unterentwicklung von Oberkiefer, Unterkiefer, Kiefergelenkregion, äußerem Ohr, eventuell Mittelohr in verschiedenen Ausprägungsgraden. Es ist dies der zweithäufigste Geburtsdefekt im Gesicht nach LKG-Spalten mit einer Häufigkeit von 1 Fall auf 3.500-4.500 Geburten und kann auch beidseitig auftreten. In schweren Fällen ist die Atmung durch eine Einengung der Luftröhre behindert, die einen Luftröhrenzugang erfordert.

 

Morbus Franceschetti – Treacher Collins – Franceschetti Syndrom

weist als Sonderform beidseitig auftretend zusätzlich Defekte durch Unterentwicklung bzw. Fehlen der Jochbeine auf. Das Auftreten wird mit 1:50.000 Geburten angegeben, basierend auf einem autosomal dominanten Erbgang (Abb. 1).

 

Abb. 1 Morbus Franceschetti
Abb. 1 Morbus Franceschetti

 

Therapiemöglichkeiten bestehen aus mehrphasigen Korrekturmaßnahmen der skelettalen Fehlbildungen und Defizite durch Knochenverlagerungen (Osteotomien) und -transplantationen, Weichteilkorrekturen wie Lidkorrekturen, Fetttransplantationen zur Konturverbesserung, Nervtransplantationen, Ohrmuschelaufbau, oder Ersatz durch implantatgetragene Prothesen /Epithesen (Abb. 2).

 

Abb. 2 Ohrepithese
Abb. 2 Ohrepithese

 

Kraniosynostosen

Bezeichnen als Überbegriff das Vorhandensein einer vorzeitigen Verknöcherung im Bereich einer oder auch mehrerer Schädelnähte. Neben äußerlich erkennbaren ästhetischen Aspekten erfordern vor allem erhöhter intrakranieller Druck und Verschlechterung des Sehvermögens operative Interventionen. Röntgenologisch kann dann ein Wolkenschädel imponieren (Abb. 3).

 

Abb. 3 Wolkenschädel bei Scaphocephalie /Kahnschädel
Abb. 3 Wolkenschädel bei Scaphocephalie /Kahnschädel

 

Beispiele sind:

Anteriorer Plagiocephalus – Vorderer Schiefschädel: beruht auf einer einseitigen vorzeitigen Verknöcherung der Kranznaht.

Trigonocephalus – Metopische Synostose: beruht auf einer vorzeitigen Verknöcherung der Frontalnaht.

Scaphocephalus – Pfeilnahtsynostose: beruht auf einer vorzeitigen Verknöcherung der Pfeilnaht (Abb. 4a bis d).

 

Abb. 4a von oben, Scaphocephalie präoperativ
Abb. 4a von oben, Scaphocephalie präoperativ

 

 

Abb. 4b von oben, Scaphocephalie postoperativ
Abb. 4b von oben, Scaphocephalie postoperativ

 

Abb. 4c von vorne, Scaphocephalie präoperativ
Abb. 4c von vorne, Scaphocephalie präoperativ

 

Abb. 4d	 von vorne, Scaphocephalie postoperativ
Abb. 4d von vorne, Scaphocephalie postoperativ

 

Posteriorer Plagiocephalus – Hinterer Schiefschädel: beruht auf einer einseitigen vorzeitigen Verknöcherung der Hinterhauptsnaht.

Brachycephalus – beidseitige vorzeitige Verknöcherung der Kranznaht oder Hinterhauptsnaht (Abb. 5 a und b).

 

Abb. 5a Seitansicht, Brachycephalie
Abb. 5a Seitansicht, Brachycephalie

 

Abb. 5b von vorne, Brachycephalie
Abb. 5b von vorne, Brachycephalie

 

Die Gefahr des erhöhten Hirndrucks und der Gehirnschädigung besteht insbesondere bei multiplen Synostosen in nicht syndromalen Situationen und bei syndromalen Fällen.

Beispiele für syndromale Kraniofaziale Dysostosen sind:

Morbus Crouzon: synostosenbedingte Schädeldeformitäten, Exophthalmus (Hervortreten der Augäpfel), Hypertelorismus (vergrößerter Augenabstand), Strabismus divergens (Schielen), lateral abfallende Lidachsen, maxilläre Retrognathie (Oberkieferunterentwicklung) und vorstehender Unterkiefer.

 

Carpenter-Syndrom, Pfeiffer-Syndrom und Saethre-Chotzen-Syndrom sind morphologisch Crouzon-nahe Syndrome.

 

Morbus Apert: dabei zeigen sich zusätzlich Veränderungen außerhalb des Kopfes in Wirbelsäule und Extremitäten (z.B. Syndaktylen)

Therapie

In der Regel werden innerhalb des 1. Lebensjahres die Kraniosynostosen (vorzeitige Schädelverknöcherungen) operativ gelöst. Damit wird durch Erweiterung das Volumen und die Form des Gehirnschädels normalisiert. Jährliche Kontrollen bleiben jedoch erforderlich.

 

Später erfolgen Mittelgesichtskorrekturen, im allgemeinen ab dem 8. Lebensjahr. Bei mangelndem Lidschluss mit fehlender Bedeckung des Auges oder bei Sauerstoffmangel durch Atemwegseinschränkung sind frühere Korrekturen notwendig. Meist muss das Mittelgesicht nach vorne entwickelt werden.

 

Lagerungsbedingte Deformitäten

Von den Schädeldeformitäten durch Synostosen sind die lagerungsbedingten Deformitäten zu unterscheiden (Abb. 6). Sie entwickeln sich meist erst nach der Geburt durch einseitige (eventuell zwanghafte) Lagerung des Säuglings bei noch weichem Schädelknochen.

 

Abb. 6  Lagerungsbedingte Deformität / Plagiocephalus
Abb. 6 Lagerungsbedingte Deformität / Plagiocephalus

 

 

Therapie

Neben der ursachenbeseitigenden Physiotherapie bei Muskelverkürzungen am Hals ist die effektivste Therapie der bereits bestehenden Deformität die Helmtherapie. Diese soll wegen der schnellen Wirkung möglichst schon mit 4-5 Monaten begonnen werden (Abb. 7). Jedenfalls ist das 1. Lebensjahr das bevorzugte Therapiealter. Der Ausschluss einer anderen Erkrankung sollte an einem Zentrum für kraniofaziale Fehlbildungen erfolgen.

 

Abb. 7 Helmtherapie bei lagerungsbedingter Deformität
Abb. 7 Helmtherapie bei lagerungsbedingter Deformität

 

Interdisziplinäre Zusammenarbeit

Das kraniofaziale Chirurgie-Team arbeitet eng zusammen und besteht aus einer Vielzahl von Spezialisten der Kinderheilkunde, Anästhesie, MKG-Chirurgie, Neurochirurgie, Augenheilkunde, HNO-HSS, Radiologie und Genetik.